Der Begriff "Glissando" (frz. glisser, „gleiten“) bezeichnete die gleitende Veränderung der Tonhöhe bei der Verbindung zweier Töne. Er war eng verwandt mit dem Begriff "Portamento" (ital. portamento di voce, "die Stimme tragen"), der eine auf Instrumente übertragene Gesangstechnik bezeichnete.
Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert hatte der Begriff "Portamento" zwei Bedeutungen. Zum einen bezeichnete er den sanften, nahtlosen Übergang von einem Ton zum anderen, den "Schleifer", und zum anderen die hörbare gleitende Tonbewegung, die zwei aufeinanderfolgende Töne miteinander verbindet, das "Glissando". Die erste Bedeutung von "Portamento" findet sich in Johann Baptist Lassers "Vollständige[n] Anleitung zur Singkunst" (1798): "Portamento di Voce: Das Tragen der Stimme, heißt eine Note an die andere schleifen, ohne abzusetzen, ohne daß etwas leeres dazwischen zu vernehmen sey, dieses geschieht, wenn man den vorhergehenden Ton so lange klingen läßt, bis der folgende anspricht, und zwar mit abwechselnder Stärke und Schwäche und Stärke der Töne selbst" (Lasser 1798, S. 154). Die zweite Bedeutung findet sich in Domenico Corris "The Singers Preceptor" (1810): "Portamento di voce is the perfection of vocal music; it consists in the swell and dying of the voice, the sliding and blending one note into another with delicacy and Expression - and expression comprehends every charm which music can produce" (Corri 1810, S. 3f.).
Pierre Baillots "L'Art du Violon" (1835) stellt die beiden "Arten die Töne zu tragen" vor: "Die erste besteht darin dass mehrere Töne von gleichem Werthe, welche sich auf nebeneinanderliegenden oder voneinander entfernten Stufen befinden, verbindet (...). Diese Töne müssen gleich und deutlich unterschieden werden, ohne dass die Finger, oder der Bogen sie durch bemerkbare Bewegungen trennen. Man muss volltönend ... vortragen; ... so, dass man jeder Note ohne das Zeitmaas deswegen zu verändern, ihren vollen Werth giebt" (Baillot 1835, S. 69).
"Die zweite Art wird bei zwei Tönen angewendet, welche ein mehr oder weniger grosses Intervall bilden, und nur in getrennten Stufen fortschreiten, sie besteht in einer leichten Bindung welche von dem Ende der einen Note in den Anfang der Anderen übergeht. (...) Man rechnet zu dem Tragen der Töne Stellen wo eine Note mit der anderen durch das Gleiten ein und desselben Fingers sanft gebunden wird" (ebd. S. 70; vgl. Dotzauer 1825, S. 46f.).
In der frühromantischen Musik etablierte sich das Portamento schnell als Ausdrucksmittel sentimentaler Gefühle. Schmachtende Portamenti und Glissandi verstärkten die emotionale Wirkung eines Stückes auf das Publikum. Sie konnten aber auch, übertrieben eingesetzt, von den Zuhörern als "Gejammer" und "Gejaule" empfunden werden. So klagte der Verfasser einer Kritik über ein Violinkonzert, das Louis Spohr am 24. Januar 1808 in Prag gab: "Es ist bekannt, dass Hr. Sp. unter die ausgezeichnetsten Violinspieler unsers Zeitalters gehört, und ganz unverkennbar ist vornämlich seine Kraft und Gediegenheit im Adagio, wo er uns mit unwiderstehlichem Zauber hinreisst, seinen Empfindungen zu folgen; ja man könnte ihn in diesem Genre unübertrefflich nennen, wenn er nicht oft durch eine viel zu häufig angebrachte Manier - durch das Herauf- und Herunter-Rutschen mit einem und demselben Finger nach allen möglichen Intervallen - durch das künstliche Miau, wie man es nennen möchte, wenn es nicht neckend klänge - uns in diesem Genuss, und zuweilen recht unangenehm, störte" (AMZ 10/1808, Sp. 313).
Antonio Salieri (1750-1825), der die klassischen Ideale der Einfachheit und Natürlichkeit vertrat, äußerte sich mit sarkastischer Schärfe über das expressive Portamento: "Seit einiger Zeit hat sich bey unterschiedlichen schwachen Solo-Violinisten eine weibische und lächerliche Art, ihr Instrument zu behandeln, eingeschlichen, welche die Italiener maniera smorfiosa nennen, und die in einem Missbrauche des Auf- und Niederfahrens mit den Fingern auf den Saiten besteht. (...) Diese lächerliche Manier auf der Violin schreibt sich von einem Scherz des berühmten Violinspielers Lolli her. Als dieser in seinen spätern Jahren nicht mehr der hinreissenden, zauberischen Energie Meister war, durch welche er ehemals das Publicum fesselte: so suchte er, um Zuspruch zu den Konzerten zu gewinnen, die er auf seinen Reisen gab, den Zuhörern wenigstens etwas zum Lachen zu geben, indem er es im letzten Allegro seiner Concerte bald dem Papagai, bald dem Hunde, bald der Katze nachmachte. Das Katzenconcert, wie er es selbst nannte, war beym Publicum - am beliebtesten, und er gab es deswegen am häufigsten und mit allgemeinem Beyfall. Andere Violinisten nicht blos, sondern auch Violoncellisten, suchten nun diesen Meister in seinem Scherze nachzuahmen. Nach und nach wurde der Scherz zur Mode, die Mode ... wurde unter den Schwächern und Unverständigern zur Methode; und da die Anzahl der letztern unendlich ist, so ging jene falsche Manier nach und nach in eine Art von Schule über, aus welcher eine schöne Menge von Katzen hervorgegangen ist, die durch Spiel und Gesang in dieser Manier die Ohren der Zuhörer quälen, in der Meynung, sie zu ergötzen" (AMZ 13/1811, Sp. 207-209).
Die Reaktion auf Salieris Spott blieb nicht aus. Ein gewisser Herr Gleichmann warb in seinem Artikel "Ueber Manier und Mode in der praktischen Musik, hauptsächlich beym Violinspiel" um Verständnis für den Gebrauch des Portamento: "Das Durchziehen der Töne, diese in dem Gesange gewiss angenehme Manier, wenn sie nämlich mit grosser Mässigung, am rechten Orte und mit Geschmack angewendet wird, und welche dann vom Gesange in die Instrumentalmusik mit Recht übertragen worden war, wurde an einem Orte, wo die Tonkunst in einem hohen Grade blüht, (in Wien,) von Violinspielern dermassen gemissbraucht, dass sehr achtungswerthe Männer (wie Salieri) daran ein Gräuel fanden, und daher, so weit ihr Wirkungskreis ging; ein, durch diese Blätter bekannt gewordenes, förmliches Verbot dagegen, wenigstens beym Orchesterspiel, wohin es denn freylich auch am allerwenigsten gehört, einlegten. Es wurde mit den Tönen gewisser Thiere verglichen, und derjenige, welcher sich desselben bediente, sollte für einen schlechten Künstler gehalten werden. Wollte man dies auch auf das Solospiel ausdehnen, so dürfte es nun wieder etwas zu strenge verfahren seyn, und es würde durch die Vertilgung dieser Manier, nach dem alten Sprichwort, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. Wer hört wol jetzt einen guten Gesang ganz ohne dieselbe? Bedienen sich ihrer nicht auch die ersten Geiger unsrer Zeit, und vorzüglich die, welche noch vor kurzem in jener grossen Kaiserstadt um den Preis wetteiferten? Ueberdies hat Hr. Nägeli nun auch in seiner Gesangschule das Statthafte dieser Manier theoretisch recht gut begründet; und da die Culturgeschichte des Vortrags auf Instrumenten mit der, des Gesanges, grösstentheils gleichen Schritt hält: so kann, was dort für diesen gesagt ist, auch auf jene angewendet werden" (AMZ 16/1814, Sp. 175f.).
Louis Spohr entwickelte in seiner "Violinschule" (1832) eine Zwei-Finger-Technik, um das "unangenehme Heulen" bei langen Glissandi zu vermeiden: "Sind zwei, entfernt von einander liegende Töne in einen Bogenstrich zusammen zu ziehen ..., so lässt sich der Sprung von einem Tone zum andern nicht machen, ohne dass das Fortgleiten der Hand gehört wird. Damit dieses nun nicht in unangenehmes Heulen ausarte, muss es auf folgende Weise gemacht werden: Man rücke mit dem Finger des ersten Tons so lange fort, bis der des zweiten Tons auf seinen Platz niederfallen kann, im 9ten Takt der Übung also mit dem ersten Finger von e bis h und lasse erst dann den vierten Finger auf das zweite e niederfallen (...). Dieses Fortrücken muss aber so schnell geschehen, dass die Lücke von der kleinen bis zur höchsten Note ... nicht bemerkt und das Ohr des Zuhörers dahin getäuscht wird, dass es den ganzen Raum von der tiefen bis zur hohen Note gleichmässig von dem gleitenden Finger durchlaufen glaubt. Manche Geiger pflegen zwar (im Widerspruche mit der vorstehenden Regel) bey solchen Sprüngen mit dem Finger des hohen Tons fortzugleiten (...). Da aber bey dieser Methode das unangenehme Heulen gar nicht zu vermeiden ist, so muss sie als fehlerhaft verworfen werden" (Spohr 1832, S. 120).
Im Gegensatz zu Spohr betonte Pierre Baillot den "leidenschaftlichen Ausdruck" des Portamentos und forderte, das Gleiten von Ton zu Ton dynamisch zu gestalten: "Vom tiefen zum hohen Tone, gehe man Crescendo über. Vom hohen zum tiefen Tone, gehe man Decrescendo über" (Baillot 1835, S. 71f.). Allerdings riet auch er von einer "zu häufige[n] Anwendung" ab und stellte klar, dass man "das Tragen oder Gleiten, wobei noch Zwischennoten gehört werden nicht sorgfältig genug vermeiden" kann (ebd. S. 71).
Er riet auch davon ab, das Portamento als Grundlage für die Verbindung größerer Intervalle zu verwenden: "Wenn man von einer Note auf ein entferntes Intervall übergeht, so muss es durchgehends mit Freiheit geschehen und der Finger, sowohl auf als abwärts, unmittelbar auf die andere Note gesetzt werden, ohne dass etwas dazwischen hörbar wird, ohne Portamento" (ebd. S. 71).
In den Gitarrenschulen des frühen 19. Jahrhunderts wurde das Glissando zunächst als spieltechnische Variante des Schleifers vorgestellt. Die zu schleifenden Töne wurden miteinander verbunden, indem ein Greiffinger von einem Bund zum anderen gleitet. Dementsprechend wurde das Glissando wie ein gewöhnlicher Schleifer mit einem Bindebogen notiert.
François Doisy beschrieb diese Glissando-Technik in seine Lehrwerk Principes Généraux de la Guitare (1801): "Man nennt es Gleiten (Glisser), wenn man von einem Ton ausgeht, um auf derselben Saite einen anderen Ton zu erreichen, der einige Stufen von dem Ton entfernt ist, von dem man ausgeht. Diese Verzierung verwendet man nur beim Aufsteigen. Dazu drückt man einen Finger der linken Hand auf eine Note und schlägt sie dann mit einem Finger der rechten Hand an, um sie zum Klingen zu bringen, und gleitet, ohne den Finger von der Saite zu heben, schnell zu dem Bund, auf dem die nächste Note liegt. Das Gleiten wird gewöhnlich durch eine kleine Note ohne Wert angezeigt, die umschlossen ist von einer Bindung mit der Hauptnote, die ihr folgt" (Doisy 1801, S. 62 übers.; vgl. Doisy 1802, S. 66). Das von Doisy beschriebene Glissando hatte eine auffallende Ähnlichkeit mit einem kurzen Vorschlag von unten. In Anlehnung an die Portamento-Technik nannte Doisy den Vorschlag von unten "Son-porté" (Doisy 1801, S. 61).
Während Doisy nur ein aufsteigendes Glissando kannte, führten Jean-Baptiste Phillis und Antoine Lemoine das Glissando in beide Richtungen aus. Außerdem erweiterten sie den Anwendungsbereich der Verzierung: "Die Glissade besteht aus zwei oder drei aufsteigenden, benachbarten oder nicht benachbarten Noten, von denen nur die erste gezupft wird; sie wird so genannt, weil man die Finger von einem Bund zum anderen gleiten lässt, ohne die Saite zu zupfen; man drückt den ersten Finger auf den Bund F und zupft gleichzeitig die Saite; man gleitet mit dem Finger schnell von F nach G und drückt dabei kräftig, damit es deutlich zu hören ist. Die doppelte Glissade unterliegt denselben Prinzipien wie die vorhergehenden, entweder als Terz oder als Sexte oder als Oktave" (Phillis 1799, S. 9 übers.).
Phillis und Lemoine benutzten die Glissando-Technik, um die Ausführung der gebundenen Doppelgriffe zu vereinfachen: "Das Glissé wird ausgeführt, indem man mit demselben Finger auf derselben Saite von einer Note zu einer anderen übergeht. Wenn das Glissé eine Zwischennote hat, muss man beim Aufstieg oder Abstieg von einer Note zur anderen, z. B. von Fis zu A, ganz leicht über die beiden Bünde gehen, die sie trennen, um zu vermeiden, dass das G und das Gis hörbar werden, ohne jedoch die Saite zu verlassen, denn dann würde die Schwingung, die dazu dient, den zweiten Ton zu erzeugen, nicht mehr stattfinden, wenn man den Finger entfernt. Das doppelte Glissé wird in derselben Weise ausgeführt, und man kann eine Bassnote hinzufügen, wenn sie leer ist (siehe das folgende Beispiel)“ (Lemoine 1799, S. 19 übers.; vgl. Bédard 1807, S. 7).
Ferdinando Carulli formulierte für die Ausführung der gebundenen Doppelgriffe eine Regel, die in den folgenden Jahrzehnten zum Standard werden sollte: "Wenn die Finger, welche die ersten Noten bilden, auch die zweiten Noten bilden können, dann ist es besser, sie über die Saiten gleiten zu lassen, ohne sie anzuheben" (Carulli 1819, S. 34; 1822, S. 36 übers.; vgl. Molino 1813, S. 30; Plouvier 1816, S. 40; Joly 1819, S. 39; Harder 1819, S. 74; Bathioli 1825 Theil II/1, S. 21; Marescot 1825 I, S. 13; Mathieu 1825, S. 12; Henry 1826, S. 34; Aubery du Boulley 1828, S. 39; Aguado 1825, § 326; Lintant 1822, S. 8; Meissonnier 1828, S. 33; Defrance 1834, S. 31; Bruni 1834, S. 18; Plouvier 1836, S. 30; Carcassi 1836, S. 54; Aguado 1843, § 145).
Während das doppelte Glissando dazu diente, die Bindung von Doppelnoten spieltechnisch zu vereinfachen, war der Zweck des einfachen Glissandos nicht ganz klar. Diente das einfache Glissando in erster Linie klanglichen oder spieltechnischen Zwecken? Phillis bezeichnete das Glissando in Anspielung auf die Portamento-Technik als "getragenen Ton" (Son porté) und forderte, die Saite beim Glissando kräftig herunterzudrücken, damit die gleitende Bewegung des Fingers deutlich hörbar werde (Phillis 1799, S. 9). Lemoine hingegen empfahl, das Gleiten des Fingers mit Leichtigkeit auszuführen, damit die Zwischentöne, wie beim Schleifer, nicht hörbar würden (Lemoine 1799, S. 19).
Eine Passage in Johann Jakob Staehlins Anleitung zum Guitarrespiel (1811) deutet darauf hin, dass das einfache Glissando vor allem aus spieltechnischen Gründen verwendet wurde. Staehlin empfahl für den Fall, dass ein benachbarter Finger für die Ausführung eines Vorschlags nicht zur Verfügung stand, die Verzierung mit nur einem Finger zu spielen: "A Der Vorschlag gis kann hier nicht wohl durchgängig mit dem 3ten Finger gegriffen werden, derselbe befindet sich bey denen mit B bezeichneten Stellen unmittelbar vorher auf entfernteren Saiten, und würde diese, da 2 oder 3 Saiten zu überspringen sind, um die Taktbewegung nicht zu unterbrechen, zu schnell verlassen müssen. Es ist daher besser in diesem Fall den Vorschlag und die Hauptnote wie bey A mit dem nemlichen Finger zu greiffen. Nachdem der 4te Finger hier gis gegriffen hat, schiebt man denselben einen Bund weiter auf a. Die linke Hand behält dadurch eine ruhigere Lage, und das Spiel wird fließender. C. das a wird zu gleicher Zeit mit cis, und zwar beide mit dem 1ten Finger gegriffen damit der 4te Finger ohne Unterbrechung gis a erreichen könne" (Staehlin 1811, S. 36; vgl. Kníže 1820, S. 27).
Nach Staehlin konnte ein gewöhnlicher Schleifer grundsätzlich auch als Glissando ausgeführt werden, wenn es der "Erleichterung des Spiels" diente (Staehlin 1811, S. 36). "B. der 4te Finger welcher ais greift rükt bey h einen Bund weiter" (ebd. S. 38).
Staehlin benutzte das Glissando auch zum Lagenwechsel. In diesem Fall diente der kleine Finger als Führungsfinger: "A. hier bringt man die Hand sobald gis und eis gegriffen worden sind in der nemlichen Lage der Finger drey Bünde weiter auf h und gis, und sodann ebenso auf ais und fis fis, und ferner auf a und fis jedesmal einen Bund zurück; die in der Mitte liegende h-Saite bleibt unverändert. Bey B ist das Verfahren das nemliche. Solche und ähnliche Fälle, wo die einmal in die gehörigen Lage gebrachten Finger der linken Hand, die nemliche Stellung behalten können, und nur in verschiedene Bünde vor oder rückwärts zu schreiten brauchen, werden oftmals mit glissé bezeichnet" (ebd. S. 39). Das Notenbeispiel und die Formulierung "vor oder rückwärts schreiten" legen nahe, dass der Lagenwechsel geräuschlos erfolgen soll, die Finger also ohne hörbares Gleiten bewegt werden sollen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Glissandi zu Beginn des 19. Jahrhunderts wie gewöhnliche Schleifer verwendet wurden und vor allem der Vereinfachung des Fingersatzes dienten. Sie eigneten sich besonders für die Ausführung kurzer Vorschläge, da die klanglichen Unterschiede zu den mit zwei Fingern gegriffenen Vorschlägen kaum wahrnehmbar waren. Glissandi wurden wie Schleifer weich und geschmeidig ausgeführt. Der Abstand zwischen Anfangs- und Endton betrug nicht mehr als eine Sekunde oder eine Terz.
Die beschriebene Glissando-Technik blieb in den folgenden Jahrzehnten in Gebrauch. So verwendeten Henry, Varlet und Plouvier den coulé glissé, um benachbarte Noten miteinander zu verbinden (vgl. Henry 1826, S. 34; Varlet 1827, S. 9; Plouvier 1836, S. 1829). Und D. Joly benutzte das Glissando, um einen geführten Lagenwechsel auszuführen: "Man sollte darauf achten, dass die Finger, die noch für den folgenden Akkord verwendet werden können, nicht durcheinandergebracht werden und sie von einem Bund oder von 2 Bünden zu einem anderen schieben (glisser)" (Joly 1819, S. 56 übers.).
Als Folge der zunehmenden Popularität der Portamento-Technik bei Sängern und Streichern wurde das Glissando ab den 1810er Jahren auch von Gitarristen als musikalisches Ausdrucksmittel eingesetzt. Salvador Castro beispielsweise verwendete in seiner Méthode de Guitare ou Lyre (1810) ein verzögertes Glissando über das Intervall einer großen Septime, um eine Fermate zu verzieren (vgl. S. 59).
Mauro Giuliani benutzte das "Glissé", um eine weit entfernte Vorschlagsnote mit der Hauptnote zu verbinden. Das Intervall zwischen Anfangs- und Schlusston konnte, wie im angeführten Beispiel, eine kleine Sexte umfassen: "Man schleife [= glisse] mit demselben Finger der die kleine Note in Klang gesetzt hat, bis zur Note der Melodie, und lasse alle Intervalle anklingen, gerade so wie die Sänger entfernte Zwischentöne durch das sogenannte portamento di voce zur Bindung des Gesanges verschmelzen" (1812, S. 39). Giuliani führte das Glissando kraftvoll aus, um die Zwischentöne hervorzuheben.
Mit den Opernkomponisten Rossini, Donizetti und Bellini erlebte der Belcanto in den 1810er und 1820er Jahren einen neuen Höhepunkt. Spätestens seit Mitte der 1820er Jahre gehörte die von Giuliani eingeführte Portamento-Technik zum spieltechnischen Repertoire der Gitarristen (vgl. Harder 1819, S. 74f.; Molino 1823, S. 25). Francesco Bathioli gab in seiner Gemeinnützige[n] Guitareschule (1825) einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten, das Glissando auszuführen: "Dadurch wird ein gewisses Zusammenfließen, ein Verschmelzen der Töne, vorzüglich der entferntern, hervorgebracht, welches dem sogenannten 'Portamento' der Sänger und Spieler von Bogeninstrumenten völlig gleich kommt, und dessen von allen Schlaginstrumenten vorzugsweise nur die Guitare fähig ist. Es findet Statt: a) von einem Bunde zum andern, b) über mehrere Bünde, c) nicht nur im Auf-, sondern auch im Absteigen, und d) auch auf zweien Saiten zugleich" (Bathioli 1825 Theil II/1, S. 21). Er hebt das expressive Glissando gegenüber den herkömmlichen Glissando-Varianten hervor, indem er betont, dass durch die Gleittechnik eine Verschmelzung "vorzüglich der entferntern" Töne hervorgebracht werde. "Bei dieser vortrefflichen Manier muß man sich jedoch hüten, ein Seufzen oder Gähnen in absteigenden, und ein Miauen in aufsteigenden Figuren, vorzüglich bei entferntern Intervallen, hervorzubringen" (ebd. S. 30).
Jean-Baptiste Mathieu unterscheidet auch begrifflich zwischen den verschiedenen Glissando-Varianten: „Eine andere Art des Schleifens (coulé) besteht darin, zwei Töne mit demselben Finger zu erzeugen, indem man ihn über dieselbe Saite gleiten lässt, entweder zu einem benachbarten oder zu einem entfernten Bund, was man einen gleitenden Ton (son glissé) oder einen getragenen Ton (porté) nennen kann, oder indem man alle dazwischen liegenden Töne hörbar macht, eine Passage, die man gezogene Töne (sons trainés) nennen kann“ (Mathieu 1825, S. 12 übers.; vgl. 76f.). Einfache und doppelte Glissandi, die aus Sekundenintervallen bestanden, bezeichnete Mathieu als "gleitende Töne" (sons glissez), Glissandi aus Terzintervallen als "getragene Töne" (sons portés) und Glissandi, deren Intervallsprünge größer als eine Terz, aber nicht größer als eine große Sexte waren, als "gezogene Töne" (sons trainés).
Im Zuge der Romantisierung der Musik kam das expressive Glissando in Mode (Meissonnier 1828, S. 33; Hamilton 1834, S. 5; Carcassi 1836, S. 41; Meissonnier 1839, S. 14; Roy 1840, S. 12). Das Glissando wurde nicht mehr nur als spieltechnische Variante des Schleifers verstanden, sondern als eigenständiges Ausdrucksmittel. In den 1820er Jahren erhielt das Glissando ein eigenes Notationszeichen. Einige Gitarristen notierten es als gerade Linie (Joly 1819, S. 56; Aguado 1825, § 325; Varlet 1827, S. 9; Roy 1840, S. 12), andere Gitarristen als gerade Linie mit einem Bindebogen (Meissonnier 1828, S. 32; Bruni 1834, S. 18; Carcassi 1836, S. 41; Plouvier 1836, S. 25).
Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die Glissandomanie gegen Ende der 1830er Jahre. Adolphe Ledhuy verwendete das Glissando, um ein Intervall von einer großen Sexte zu überbrücken: "Um von einer Note zu einer anderen zu gleiten, zupft man die erste und gleitet mit dem Finger über alle Bünde, die diese Note von der zu findenden trennen, wobei man alle Intervalle, über die der Finger gleitet, mit der größten Leichtigkeit zum Klingen bringt" (Ledhuy 1828, S. 13 übers.).
Mit dem Glissando verband er auch weit auseinander liegende Doppelgriffe. Durch das Wechseln der Greiffinger während des Glissandos konnte er den größeren Abstand auf dem Griffbrett überbrücken: "Während der Finger über das Griffbrett gleitet, muss man manchmal die Position der Finger der Hand ändern, bevor das Gleiten beendet ist. Diese Veränderung muss unmerklich sein" (ebd. S. 14 übers.).
Pierre Joseph Plouvier entwickelte die Glissandotechnik weiter. Nach ihm konnte das Glissando bis zu eine Oktave umfassen: "Der getragene Ton [son porté] ist eine Art gleitender Schleifer [coulé glissé], mit dem man alle Intervalle von der Terz bis zur Oktave überbrücken kann. Der Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass das größte Intervall des gleitenden Schleifers nur einen Ton beträgt und das kleinste Intervall des getragenen Tons eine kleine Terz ist" (Plouvier 1836, S. 53 übers.). Der Fingerwechsel war fast obligatorisch, um in der hohen Lage weiterspielen zu können. Er musste jedoch geräuschlos und mit äußerster Sensibilität erfolgen: "In den folgenden Beispielen soll der Ton aller kleinen Noten für das Ohr unhörbar gemacht werden, weil die Wirkung des getragenen Tones immer von der großen Note vor der kleinen auszugehen scheint, wie es im ersten Notensystem mit den beiden geschweiften Klammern dargestellt wird. Um dies zu erreichen, muss die linke Hand im selben Moment gleiten, in dem die rechte Hand die kleine Note zupft, damit der Ton nicht wahrgenommen werden kann, der sehr oft nicht mit dem Akkord der beiden Noten, die den getragenen Ton bilden, übereinstimmt" (Plouvier 1836, S. 54 übers.).
Nicht alle romantischen Gitarristen besaßen diese Sensibilität. Im Gegenteil, viele schätzten das lange Glissando gerade wegen seiner expressiven Wirkung. Nicht ohne Spott urteilte Fernando Sor über den typischen Gitarristen seiner Zeit: "... er wird viele Schleifer und Gleiter anbringen, damit die Ausführung eine rührendere und ausdrucksvollere Wirkung hervorbringe" (Sor 1831, S. 67). Sor selbst verzichtete auf das expressive Glissando. Er schätzte weder das unruhige Gleiten über das Griffbrett noch die Klangwirkung, die das Glissando hervorruft: "Ich glaube, so nennt man die Handlung, mit einem Finger die ganze Länge des Halses auf einer Saite zu durchlaufen die man am Anfange angeschlagen hat, so dass man alle halben Töne hört, was der Musik eine ganz eigene Grazie und dem Spielenden viel Ruhe ertheilt; wenn ich mich über die Geltung dieses Wortes täusche, so bitte ich um Nachsicht zu Gunsten der Offenherzigkeit, womit ich meine Unwissenheit über einen Gegenstand eingestehe" (Sor 1831, S. 67, Anm. 1).
Sors Kritik an der Glissando-Technik war insofern berechtigt, als das langgezogene Glissando in ein unangenehmes Heulen ausarten konnte. Die von Louis Spohr vorgeschlagene Lösung, ein langes Glissando mit zwei Greiffingern auszuführen, wurde von den Gitarristen der damaligen Zeit nicht umgesetzt. Ob ein Glissando aber tatsächlich in ein unangenehmes Heulen ausartete, hing von der Art der Ausführung und dem musikalischen Kontext ab. Einige Gitarristen betonten, dass der Finger der linken Hand "leicht auf der Saite bis zur nächsten Note" gezogen werden sollte (Mertz 1848, S. 23). Andere hingegen forderten, dass man durch das Gleiten des Fingers "alle Intervalle zum Klingen bringen" müsse (Aubery du Boulley 1828, S. 39 übers.; vgl. Pelzer 1835, S. 50). Der erzeugte Affekt "imitates the sweet sound of a Lady's voice" (Strawinski 1846, S. 13). Sors pauschale Kritik am Glissando griff also zu kurz.
Dionisio Aguado schätzte das Glissando sehr: "Eine der größten Schönheiten der Gitarre ist das Gleiten [arrastre], eine Variante der Bindung zweier mehr oder weniger weit voneinander entfernter Noten, die mit einem einzigen Finger der linken Hand ausgeführt wird, der mit einer gewissen Geschmeidigkeit zum Steg oder zum Sattel gleitet, und mit einem einzigen Anschlag der rechten Hand. Um es 'Gleiten' zu nennen, ist es unerheblich, ob der Abstand einen oder zwei Bünde (Bsp. 6. Nr. 1), oder viele (Nr. 2) beträgt, denn der Kern ist derselbe" (1825 II, S. 41 übers.). Besonders hob er die Ausführung der gebundenen Terzen und Sexten hervor: "Diese sind sehr angenehm, weil sie in ihrem Verlauf zum Teil an der Süße des Gleitens teilhaben" (II, S. 42).
Während Aguado in seinen zu Lebzeiten veröffentlichten Gitarrenschulen das Glissando als eine Variante der Bindung zweier Noten vorstellt, geht er in seinem posthum erschienenen Apéndice al Nuevo Método para Guitarra (1849) auch auf das expressive Glissando ein: "Das Gleiten (arrastre) kann auf zwei Arten ausgeführt werden: entweder indem man den Finger mit Kraft und Schnelligkeit über die Saite bis dorthin gleiten lässt, wo er ankommen soll, oder indem man sein Gewicht auf jedem der Bünde spüren lässt, die er nicht ohne eine gewisse Leichtigkeit überquert. Diese beiden Methoden erlauben eine Abstufung in der Ausführung. Die Terzen, Sexten, Oktaven und Dezimen nehmen an diesen beiden Unterschieden teil, wenn sie gespielt werden, und manchmal auch einige Akkordfolgen" (Aguado 1849, S. 16 übers.). Als einer der wenigen Gitarristen seiner Zeit empfahl Aguado, das Glissando bei großen Intervallen mit zwei Fingern auszuführen: "Wenn der kleine Finger einen Gleiter (arrastre) abwärts von den letzten Bünden des Griffbretts zu den ersten ausführt, ist es gut, den Zeigefinger vorher in der Nähe zu haben, wenn auch nicht genau auf dem unmittelbaren Bund, und es ist dieser Zeigefinger, der den Gleiter mit dem Impuls abschließt, den der kleine Finger ihm übermittelt" (ebd.).