Bartolomeo Bortolazzi wurde am 3. März 1772 als Sohn von Domenico di Giacomo und Apollonia Lombardi in Toscolano am Gardasee geboren. Toscolano gehörte damals zur Republik Venedig. Daher wird in historischen Dokumenten auch Venedig als Geburtsort genannt. Bartolomeo erlernte wie sein Vater den Beruf des Papiermachers. Doch schon bald entwickelte er eine Neigung zur Musik und nahm, wie der Musikwissenschaftler Ugo Orlandi herausfand (Orlandi 2017, S. 554), Mandolinenunterricht bei Donato Elena (1750-1835) aus dem Nachbarort Maderno.
Im Alter von 18 Jahren verließ Bortolazzi seine Heimatstadt und zog als Musiker und Schauspieler durch die Städte Norditaliens. Der Historiker Claudio Fossati, der mündliche Überlieferungen aus Bortolazzis lokalem Umfeld sammelte, schrieb: "Unfähig, die Enge der häuslichen Mauern zu ertragen, floh er eines schönen Tages mit zwei Gefährten, Bazzani und Lena, Gitarrenspieler, und mit einem dritten, Pietro Ferrari, Sänger komischer Arien, aus dem väterlichen Dach - 1790. Sie reisten durch Italien und Frankreich, ernteten Applaus und Geld auf den Plätzen und in den Theatern und führten ein sorgloses und glückliches Leben, bis die Revolution ausbrach" (Fossati 1880, S. 4 übers.). Pietro Ferrari und Giovanni Bazzani stammten wie Bortolazzi aus Toscolano, Lorenzo Lena aus Maderno (vgl. Orlandi 2017, S. 555f.).
Bortolazzi kehrte nach Toscolano zurück, arbeitete einige Zeit in der Papiermühle "Cartiera del Maglio" in der Gegend von Mantua, und ging dann nach Tirol (ebd. S. 557). In Riva del Garda lernte er die 14- oder 15-jährige Cattarina Margarita Leonardi kennen. Er heiratete sie, wahrscheinlich 1793, und kehrte mit ihr nach Toscolano zurück. Am 10. Januar 1794 wurde ihr erster Sohn geboren, der am 13. Januar auf den Namen Biagio Domenico getauft wurde. Am 29. März 1796 wurde der zweite Sohn Giacomo Giuseppe geboren und getauft. Das Kind starb am 13. April im Alter von 15 Tagen (vgl. ebd. S. 556).
Zwischen 1797 und 1799 ließen sich die Bortolazzis zusammen mit Pietro Ferrari in Wien nieder. Die Familie wuchs. Noch vor der Ankunft in Wien 1799 wurde eine Tochter geboren. Sie wurde Theresia getauft.
In Wien traf Bortolazzi den Pianisten Giancarlo Colò (1778-1844), den er wahrscheinlich während seines Aufenthalts in Riva del Garda kennengelernt hatte (vgl. ebd. S. 558). Colò unterstützte ihn dabei, eine professionelle musikalische Laufbahn einzuschlagen. Der Musikhistoriker Antonio Carlini schreibt dazu: "Colò trug zur Entstehung jenes besonderen Salonmusikgeschmacks beim Musizieren bei, der für das Wiener Bürgertum im frühen 19. Jahrhundert so charakteristisch war, nicht nur durch seine Werke, sondern auch durch den Unterricht, den er sowohl hübschen jungen Mädchen als auch echten Konzertkünstlern wie dem Mandolinenspieler Bartolomeo Bortolazzi erteilte" (Carlini o. D. übers.). Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. 1799 widmete der Wiener Johann Nepomuk Hummel (1778-1837) Bortolazzi sein Mandolinenkonzert in G-Dur.
1801 war Bortolazzi Musiker am k.k. Nationaltheater und wohnte in der Wallfischgasse 10871. Anfang 1801 wurde sein dritter Sohn geboren. Er wurde am 21. Januar 1801 in der Wallfischgasse getauft und erhielt den Namen Franz Jacob Sebastian. Pate war Franz Graf von Harrach. Dann verlor Bortolazzi innerhalb kurzer Zeit seine beiden jüngsten Kinder. Am 7. Oktober starb, wie die Wiener Zeitung meldete, die zweijährige Tochter Theresia (WZ 82/1801, S. 3701) und am 10. Dezember der knapp einjährige Sohn Franz (WZ 100/1801, S. 4476). Am 13. Oktober 1802 kam Theresia Franzisca Seraphina zur Welt. Ihr Taufname war von den Eltern bewusst gewählt worden. In ihm sollte die Erinnerung an die verstorbenen Geschwister weiterleben, die nun "Seraphinen" (Engelswesen) waren. Taufpate war laut Orlandi Franz Graf Palfy (vgl. Orlandi 2017, S. 557). Gemeint ist wohl Graf Franz V. Alois Pálffy (1780-1852).
Bortolazzi begann zu komponieren. Er schrieb Variationen für Mandoline und Gitarre, die von den wichtigsten Verlegern der Stadt veröffentlicht wurden. Im März und September 1802 erschienen zwei seiner Werke in der "Wiener Zeitung":
1803 unternahm Bortolazzi eine Tournee durch Deutschland, um seine Werke für Gitarre und Mandoline einem breiteren Publikum vorzustellen. Bartolomeo spielte die Mandoline, während sein Sohn Biagio Domenico den Gitarrenpart übernahm. Obwohl Biagio damals neun Jahre alt war, gab Bortolazzi das Alter seines Sohnes mit sieben Jahren an. So konnte Biagio zwar nicht die Rolle des Wunderkindes übernehmen, aber zumindest das Publikum in Staunen versetzen. Die Tournee führte Bortolazzi 1803 nach Dresden, Leipzig und Braunschweig, 1804 nach Berlin und erneut nach Leipzig. Bortolazzis Konzerte wurden in der Fachpresse fast ausschließlich positiv besprochen. Lediglich der Auftakt der Tournee scheint etwas holprig verlaufen zu sein.
So fiel die Rezension des Auftritts am 2. September in Dresden wenig schmeichelhaft aus: "Von Bartolozzi, dem Mandolinenspieler, sage ich nichts, als, er macht sehr viel. Aber welch ein ärmliches Werkzeug, das nur Gezirp, keinen gehaltenen Ton, nichts von Gesang geben kann!" (AMZ 5/1803, Sp. 836). Nicht zu übersehen ist jedoch die entschiedene Abneigung des anonymen Rezensenten gegen die Mandoline.
Claudio Fossati verweist auf ein weiteres Konzert in Dresden, bei dem die Reaktionen offenbar positiver ausfielen: "Er war in Sachsen; in Dresden wurde er vom Hof empfangen und von der großen Musikgesellschaft 'Harmonie' mit außerordentlichen Gunstbezeugungen gefeiert. Zur Erinnerung an die Begeisterung, die das Konzert am Abend des 10. September 1803 hervorgerufen hatte, ließ die ganze Stadt zu Ehren unseres Toscolaners zwei italienische Sonette in Seide drucken, die seine männlichen Züge mit Emblemen der Kunst schmückten" (Fossati 1880, S. 4f. übers.).
Die beiden in italienischer Sprache verfassten Sonette befinden sich heute im Archiv der Familie Fossati und werden hier nach Orlandi zitiert (Orlandi 2017, S. 561):
In Applauso / Al merito singolare del celebre professore di Mandolino / Bartolomeo Bortolazzi Italiano. / Che per universale richiesta, e con generale aggradimento / Della distinta nobiltà e pubblico dell’inclita città di Dresda / Ha dato pubblico concerto nella gran Sala / della rispettabile Società dell’Armonia / Nella sera del giorno 10 Settembre 1803 / gli si dedicano gli seguenti / Sonetti
I
Oh possente armonia! Tu se’ d’ogni alma / Coi dolci moti tuoi l’arbitra ognora / La tua virtù conforta ed avvalora / L’oppresso: e ai mesti cuor rende la calma. //
Per te moto acquistò la dura salma / Da’ tronchi; e delle belve in seno ancora / Fierezza e crudeltà non fa dimora, / Ond’ebbe il Tracio Orfeo corona, e Palma. //
Ma la possanza tua, soffrilo in pace, / Gran forza acquista del saper profondo / Di chi sa dilettar più ancor del Trace. //
E sa di penetrar dei cuori al fondo / Più della Lira è un Mandolin capace / Bortolazzi divien Padron del Mondo.
II
Udito l’Elba l’armonico suono / Che in una man gentil dolce s’aggira, / Erge il capo dall’onde, e i lumi gira / Onde veder chi nel suo cuor ha il trono. //
Dicea fra sé, chi è mai Costui che il dono / Ha uguale al Trace, e all’Anfionia Lira? / Ma tal gioja l’assalse, e sì l’ammira, / Che lascia la sua Ninfa in abbandono //
Là di venir Apollo si compiacque / Al fiammeggiante cocchio il freno arresta / E all’Elba favellar così gli piacque. //
Colei che in sen sì bel piacer ti desta / Vanne superba pur, oh Dea dell’acqua / L’egreggia man di Bortolazzi è questa.
In Beifall / Auf das einzigartige Verdienst des gefeierten Professors der Mandoline / des Italieners Bartolomeo Bortolazzi. / Der auf allgemeinen Wunsch und mit allgemeiner Zustimmung / Des vornehmen Adels und des Publikums der erlauchten Stadt Dresden / Ein öffentliches Konzert im großen Saale / Der ehrwürdigen Gesellschaft der Harmonie / Am Abend des 10. September 1803 gab / Ihm sind folgende gewidmet / Sonette
I
O mächtige Harmonie! Du bist eines jeden Seele / Mit deinen süßen Bewegungen schlichst du immer / Deine Tugend tröstet und stärkt / Die Bedrückten: und beruhigt die traurigen Herzen. // Durch dich Bewegung erwirbt der starre Leichnam / Von den Stämmen; und von den Tieren im Busen wieder / Wildheit und Grausamkeit haben kein Zuhause, / Von denen der thrakische Orpheus Krone hatte, und Palme. // Doch deine Kraft, erdulde sie in Frieden, / Große Stärke erwirbt von tiefer Kenntnis / Derer, die mehr zu erfreuen wissen als der Thraker. // Und wissen, wie man die Herzen bis auf den Grund durchdringt / Mehr als die Leier ist eine Mandoline fähig / Bortolazzi wird Herr der Welt.
II
Hörend Elbas harmonischen Klang, / Der mit sanfter Hand süß umhergeht, / Erhebt er sein Haupt aus den Wellen, und dreht die Lichter, / Um zu sehen, wer in seinem Herzen den Thron hat. // Er spricht zu sich selbst, wer ist das, der die Gabe hat, / Gleich der thrakischen, und amphionischen Leier? / Doch solche Freude überkommt ihn, und er bewundert sie so sehr, / Dass er seine Nymphe in Hingabe verlässt // Da zu kommen freut sich Apollo / Dem flammenden Wagen hält er die Bremse an / Und zu Elba so zu sprechen, gefällt ihm. // Sie, die so schöne Freude in deinem Herzen erweckt / Sei stolz auf sie, o Göttin des Wassers / Bortolazzis vortreffliche Hand ist sie.
Im Anschluss an die Konzertreise wurde in den Dresdner Anzeigen für Kompositionen von Bortolazzi (DA 4/1804, S. 6; 53/1804, S. 4) und die Mandolinenschule (DA 57/1806, S. 7) geworben.
In Leipzig gab Bortolazzi zwei Konzerte, die in der Zeitung für die elegante Welt lobend erwähnt wurden: "Noch ein Italiener, Namens Bartolozzi, der sich in Leipzig zwei Mal mit verdientem Beifall auf der Mandoline hat hören lassen, ist ieder Stadt, wo er hinkommen sollte, zu empfehlen. Er spielt dies Instrument mit vieler Zartheit und wieder mit Feuer und bewundernswürdiger Fertigkeit" (ZEW 126/1803, Sp. 1006).
Mindestens eines der beiden Konzerte gab Bortolazzi während der Michaelismesse. Der Rezensent des Konzerts zeigte sich angenehm überrascht: "Herr BortoIazzi, Virtuos auf der Mandoline. Auf der Mandoline? wiederholen viele Leser kopfschüttelnd und lächelnd. Es sey drum! Wahr ist es allerdings, dass dies kleine, beschränkte, in weniger geschickter Hand nur zirpende Instrument nicht ohne Grund wenig Kredit in Deutschland hat: aber Hr. B. giebt den vollgültigen Beweis, wie Geist, Gefühl, Geschmack und unermüdlicher Fleiss auch durch ein unbedeutendes Organ zu sprechen vermögen. Seine Konzerte mit voller Orchesterbegleitung können, der Natur der Sache nach, weniger interessiren: aber seine Variationen und ähnliche kleinere Stücke, (meistens von seinem siebenjährigen Sohne auf der Guitarre, und gut begleitet,) so wie sein Improvisiren, sind sehr hörenswerth und äusserst erfreulich. Schwerlich möchte irgend Jemand, als ein Italiener, durch Kleines so interessant werden können. Hr. B. hat auch artige Kompositionen für sein Instrument herausgegeben; andere werden bald erscheinen" (AMZ 6/1804, Sp. 45f.).
Das Konzert fand am 6. Oktober im Gewandhaus zu Leipzig statt. Der Konzertsaal des Gewandhauses bot damals etwa 800 Personen Platz und wurde vor allem wegen seiner hervorragenden Akustik geschätzt (vgl. Kneschke 1867, S. 100). Das vollständige Programm des Konzertes befindet sich noch heute im Bestand des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig:
"Erster Theil.
1) Sinfonie, von Cherubini.
2) Scene, von Gürrlich, gesungen von Hrn. Crälius.
3) Concert auf der Mandoline, mit Begleitung des Orchesters, komponirt und gespielt von Hrn. Bortolazzi.
4) Duett, von Righini, gesungen von Madame Schicht und Herrn Crälius.
Zweiter Theil.
5) Sinfonie, aus der Oper: L'amor marinaro, von Weigl.
6) Recit. und Arie, mit obligatem Fagott, von Righini, gesungen von Hrn. Crälius und geblasen von Hrn. Fuchs.
7) Romanze aus dem Opferfeste, von Winter. Ich war, wenn ich erwachte u. s. w. für Mandoline, gespielt von Hrn. Bortolazzi, und accompagnirt auf der Guitarre von seinem 7 jährigen Sohne.
8) Recit. und Arie, alla Polacca, von Weigl, gesungen von Herrn Crälius.
9) Variazionen für Mandoline und Guitarre, aus der Oper: La Molinara, von Paisiello: Nel cor più non mi sento etc. gespielt von Hrn. Bortolazzi und seinem Sohne" (Stadtgesch. Museum Leipzig, 01-Orchesterkonzert Gewandhaus zu Leipzig: 06.10.1803; vgl. Dörffel 1884, S. 197).
Am 15. November 1803 trat der Mandolinenvirtuose in Braunschweig auf: "Am 15ten Nov. gewährte uns der Mandolinspieler Bortolazzi ein einfaches, aber desto schöneres Vergnügen. Seine bewundernswürdige Fertigkeit ist schon aus diesen Blättern bekannt, und auch hier wird Jeder das Gesagte gern unterschreiben" (AMZ 6/1804, Sp. 265).
Am 27. Februar 1804 gastierte Bortolazzi im Berliner Gasthof Zur Stadt Paris in der Brüderstraße 39: "Am 27sten Februar gab der Prof. Bortolazzi aus Venedig ein Konzert im Saale der Stadt Paris. Er selbst spielte eins seiner Konzerte auf der Mandoline, begleitet von einer obligaten Guitarre, die sein 8jähriger Sohn spielte; eine Romanze mit einer Fantasie für Mandoline und Guitarre, und Variationen für eben diese Instrumente aus der schönen Müllerin. (...) Das angenehme, äusserst fertige Spiel des Hrn. Bortolazzi, ist schon früher von Ihnen selbst gewürdiget und nach Verdienst gerühmt worden" (AMZ 6/1804, Sp. 431f.). Am 29. März spielte er in einem Abonnementskonzert des Geigers Ernst Schick (1756-1815) und des Cellisten Maximilian Bohrer (1785-1867): „Variationen für die Mandoline und Guitarre aus der schönen Müllerin spielte Hr. Bortolazzi und dessen Sohn“ (AMZ 6/1804, Sp. 481). Begleitend zu den Konzerten wurde im Literarischen und artistischen Anzeiger der Berliner Zeitung Der Freimüthige für Werke Bortolazzis geworben (vgl. LAAF 21/1803, S. 84; 2/1804, S. 8; 29/1804, S. 1).
Zurück in Leipzig, gab Bortolazzi ein Konzert während der Leipziger Ostermesse, bei dem auch der Pianist Wilhelm Friedrich Riem (1779-1857) mitwirkte: "In einem Konzert des beliebten Mandolinspielers, Hrn. Bortolazzi, worin er seine Zuhörer auch diesmal angenehm unterhielt - wurde durch unsern braven Riem ein neues Quartett von Dussek, für Pianoforte, Violin, VioIa und Violoncello, zum erstenmal öffentlich producirt" (AMZ 6/1804, Sp. 541). Neben den öffentlichen Konzerten, die die Aufmerksamkeit der Musikpresse auf sich zogen, gab es für Bortolazzi sicherlich auch Gelegenheiten, vor kleinerem Publikum in privaten Salons aufzutreten.
Bortolazzi nutzte die Konzertreise, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, sein Instrument einem breiteren Publikum bekannt zu machen, namhafte Gönner zu gewinnen, Kontakte zu Musikverlegern zu knüpfen und den Absatz seiner Werke zu steigern. Seine Strategie ging auf. Zahlreiche Werke für Mandoline und Gitarre entstanden und wurden in deutschen Musikverlagen gedruckt:
6 Variations pour la Guitare avec un Violon ad libitum. Op. 13. [ca. 1805] (IAMZ 5/1806, Sp. 18; IAMZ 10/1808, Sp. 43; Whistling 1817, S. 239)
Bei der Komposition der Werke opp. 8 und 9 orientierte sich Bortolazzi offensichtlich am musikalischen Geschmack der Widmungsträger: Sechs Variationen über das Duett Nel cor più non mi sento aus Giovanni Paisiellos Oper La molinara (dt. Die Müllerin) für den Herzog von Acerenza, Francesco Pignatelli de Belmonte (1766-1827), der damals mit seiner Gemahlin Johanna Katharina Prinzessin Biron von Kurland (1783-1876) in Dresden lebte, und eine Klaviersonate für Prinz Louis Ferdinand von Preußen (1772-1806), der als begabter Pianist und Komponist galt und den gesellschaftlichen Umgang mit Künstlern pflegte. Ob die Widmungen als Dank für großzügige Unterstützung oder als Ausdruck besonderer Verehrung gedacht waren, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Man kann aber davon ausgehen, dass die klangvollen Namen die Kompositionen aufwerteten und zum Verkauf der Werke beitrugen.
In den Jahren 1803 und 1804 wurden zahlreiche Anzeigen in überregionalen Zeitungen geschaltet, um Bartolozzis Werke in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und seinen Ruf als Mandolinenvirtuose für den Verkauf zu nutzen. Die Anzeigen erschienen im Kaiserlich privilegirten Reichs-Anzeiger (RA 315/1803, Sp. 4104; 332/1803, Sp. 4347; 187/1804, Sp. 2455; 327/1804, Sp. 4283), im Intelligenzblatt der Allgem. Literatur-Zeitung (IALZ 216/1803, Sp. 1768; 225/1803, Sp. 1846; 108/1804, Sp. 872), im Intelligenzblatt der Zeitung für die elegante Welt (IZEW, 55/1803, Sp. 1; 28/1804, Sp. 3; 57/1804, Sp. 6), im Intelligenz-Blatt zur Allgemeinen Musikalischen Zeitung (IAMZ 24/1803, Sp. 104; 4/1803, Sp. 13; 11/1804, Sp. 49; 2/1804, Sp. 6; 4/1804, Sp. 16), in den Beilagen des Hamburgischen Correspondenten (Beilage zu HC 116/1804, Sp. 1; 206/1804, Sp. 6), im Schwäbischen Merkur (SM 253/1804, S, 1176) und im Würzburger Intelligenzblatt (WI 55/1805, S. 628). Als Verkaufsschlager erwies sich Bortolazzis Anweisung die Mandoline von selbst zu erlernen (1804), die von Breitkopf & Härtel als erste deutschsprachige Mandolinenschule auf den Markt gebracht wurde. Der Leipziger Musikverlag brachte das Lehrwerk noch im Jahr 1893 in einer von Engelbert Röntgen überarbeiteten Fassung heraus (vgl. Hofmeister 1893, S. 383).
In der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, die ebenfalls bei Breitkopf & Härtel erschien, wurden mehrere Werke Bortolazzis rezensiert. Die Rezension der sechs Variationen über das Duett Nel cor più non mi sento knüpfte unmittelbar an die Konzertreise an und fiel sehr wohlwollend aus: "Hr. B. ist durch seine Reisen in Deutschland als der vorzüglichste aller Mandolinspieler, die man seit langer Zeit unter uns gehört haben mag, bekannt, und auch seine Kompositionen für dies Instrument kennet man aus seinem Vortrag. Sie sind an Geist und äusserer Einrichtung, wie sie für dies beschränkte aber niedliche lnstrument seyn können und seyn müssen; vermeiden auch die, vielleicht ächtspanischen, aber darum gewiss noch nicht schönen Zierereyen früherer Mandolinenstücke, (wie die zitternden Ausgänge u. dgl.) und zeigen überhaupt von feinem Geschmack. So sind nun auch die angezeigten Var. Gut gespielt, müssen sie überall gefallen; aber sie gut zu spielen, ist nicht leicht. Das Accompagnement der Guitarre ist kinderleicht und giebt nur die Akkorde, gebrochen. Der Stich ist deutlich und gut" (AMZ 6/1804, Sp. 404).
Je mehr sich jedoch der unmittelbare Eindruck der Konzertreise verflüchtigte, desto weniger wohlwollend wurden die Werke aufgenommen. Die Rezension der Sei Ariette coll’ accompagnamento di Chitarra fiel, der Bedeutung des Werkes entsprechend, kurz und bündig aus: "Liebliche Gesänge, ganz dem Charakter der Guitarre angemessen. Einige dürften etwas kürzer seyn. Es ist schade, dass kein deutscher Text unterlegt ist, damit man sie auch blos deutschen Sängerinnen empfehlen könnte" (AMZ 6/1804, Sp. 763). Und der Rezensent der VI Airs italiens beurteilte das Tonstück als "arm und süsslich": "Hr. B. hat sich auf seinen Reisen einen Ruf durch sein allerliebstes Mandolinspiel erworben, und man liebt nun auch seine Arietten, obschon Manche sich durch des Komp. lebhaften und graziösen Vortrag derselben derselben täuschen und den Gesängen zurechnen mögen, was dem Sänger zuzurechnen ist. Doch ist zu gestehen - so enge der Kreis ist, in welchem sich Hrn. B.s Werkchen immerfort bewegen, so bewegen sie sich darin doch angenehm, und so ähnlich eine Sammlung seiner Arietten der andern ist, so finden sich doch in jeder wenigstens einige Stücke, die man eine Zeit lang zu Lieblingen wählen mag, bis man sie - wie die andern früher - zu arm und süsslich findet. So verhält es sich nun auch mit gegenwärtiger Sammlung, und bleibt darum nichts hinzuzusetzen; denn dass Hrn. Bortolazzi‘s Kompos. ganz dem Instrumente angemessen sind, weiss man. Das Aeussere dieses Werkchens ist sehr gut" (AMZ 7/1805, Sp. 179f.).
Auch wenn die Musikkritik Bortolazzis Kompositionen eher reserviert gegenüberstand, tat dies dem kommerziellen Erfolg seiner Musik keinen Abbruch. Nicht ohne Grund gab Breitkopf & Härtel im Jahr 1810 bei dem renommierten Kupferstecher Johann Gottfried Scheffner (1765-1825) einen Stich in Auftrag. Scheffner, der für den Leipziger Musikverlag bereits Johann Gottlieb Naumann, Joseph Woelfl, Ludwig van Beethoven, Georg Joseph Vogler und Antonio Salieri porträtiert hatte, bildete Bortolazzi nicht nur ab, sondern, was ungewöhnlich war, auch dessen Instrumente: eine Cremonesische Mandoline mit vier Saiten und eine sechssaitige Gitarre aus Norditalien. Damit setzte er nicht nur Bortolazzi ein ikonografisches Denkmal, sondern auch der Mandolinen- und Gitarrenmusik, zu deren Popularität er beigetragen hatte. Im Intelligenzblatt der Allgemeinen Musikalischen Zeitung erschienen regelmäßig Anzeigen mit Werken von Bortolazzi. Die letzte Anzeige 12 Variations concertantes pour Guitarre et Pianoforte erschien im Dezember 1814 (IAMZ 9/1814, Sp. 40).
Der Ruhm, den Bortolazzi durch seine Konzertreise erlangte, reichte jedoch kaum über die Grenzen Deutschlands und Österreichs hinaus. In den Nachbarländern wurden Bortolazzis Werke nur vereinzelt zum Kauf angeboten, so in Pressburg (Preßburger Zeitung 19/1804, S. 216) und in Brüssel (Le Nouvel Esprit des Journaux 11/1804, S. 293).
Nach Beendigung der Deutschlandtournee kehrte Bortolazzi mit seiner Familie nach Wien zurück. In der österreichischen Hauptstadt widmete er sich der Erweiterung des Gitarrenrepertoires. Von Oktober 1804 bis Mai 1805 gab er alle 14 Tage die Zeitschrift Amusement periodique heraus, in der er Lieder mit Gitarrenbegleitung, Solostücke für Gitarre, Duette und Trios, zum Teil aus eigener Feder, veröffentlichte. In der Wiener Zeitung erschien eine Pränumerationsanzeige für die Zeitschrift, die auf den 29. September 1804 datiert war: "Wiederholte Aufforderungen mehrerer Freunde und Kenner dieses so sehr beliebten Instruments, sind die Veranlassung der Herausgabe dieses Werkes. - Der auf diesem Instrumente rühmlichst bekannte Künstler, B. Bortolazzi, übernihmt, in Rücksicht der Auswahl der Stücke, die Direction desselben" (WZ 81/1804, S. 4157; 83/1804, S. 4253). Insgesamt erschienen 12 Hefte (WZ 41/1805, S. 2394; 69/1805, S. 4049). Danach wurde das Zeitschriftenprojekt eingestellt.
Daneben brachte Bortolazzi Einzelwerke auf den Markt, die er mit Inseraten in der Wiener Zeitung bewarb:
Romeo e Giulietta. Duetto "Dunque mio bene" Del Sigre Zingarelli. Coll'Accompagnamento di Chitarra. Del Sigre. Bortolazzi. Vienna: Giov. Cappi, [1808].
Romeo e Giulietta. Rondo "Ombra adorata aspetta" Del Sigre Zingarelli. Coll'Accompagnamento di Chitarra Del Sigre Bortolazzi. Vienna: Giov. Cappi, [1808].
Wahrscheinlich erteilte Bortolazzi in Wien auch privaten Musikunterricht. Er verfasste die erste Wiener Gitarrenschule Neuer und gründlicher Unterricht, die Guitarre nach einer leichten und fasslichen Methode spielen zu lernen (1804), die ebenso wie seine Zeitschrift für Gitarre im Verlag der k.k. priv. chemischen Druckerey erschien. Die Gitarrenschule erlebte acht Auflagen, zuletzt 1834 in der von Ignaz Franz Castelli redigierten Fassung bei Tobias Haslinger (vgl. Castelli 1834, S. 56).
Schließlich gab er Konzerte in Wien. Über ein Konzert, das Bortolazzi während der Fastenzeit in Wien gab, wird am 9. April 1805 berichtet: "Der bekannte Mandolinspieler Bortolazzi zeigte in dem Konzerte, worin er sich von seinem Sohne auf der Guitarre begleiten liess, viele Gewandtheit, Feinheit, Leichtigkeit und Delikatesse" (AMZ 7/1805, Sp. 500).
In der zweiten Hälfte des Jahres 1805 siedelte Bortolazzi mit seiner Familie nach London über. Am 26. Mai 1805 wurde Napoleon I. im Mailänder Dom zum König von Italien gekrönt. Gleichzeitig bahnte sich der Dritte Koalitionskrieg an. Österreich konzentrierte seine Truppen in Norditalien, Tirol und in Süddeutschland, um der Armée d'Italie und der Grande Armée entgegenzutreten. Es ist anzunehmen, dass Bortolazzi nach England reiste, um sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen. Einflussreiche Wiener Persönlichkeiten, die über gute Kontakte nach London verfügten, werden ihm dabei geholfen haben.
In London wurde Bortolazzi Mitglied der deutschsprachigen Freimaurerloge "Der Pilger" oder "Pilger Loge". Für die Loge komponierte er mehrere Lieder, die heute in der British Library aufbewahrt werden:
Die Londoner Jahre waren für Bortolazzi eine ausgesprochen produktive Zeit. Er brachte eine neue Ausgabe seiner Zeitschrift Periodical Amusements heraus. Das Zeitschriftenprojekt stand unter der Schirmherrschaft der Herzogin von York und wurde ein großer Erfolg. Von Januar 1807 bis Juni 1809, als Bortolazzi London verließ, erschienen 30 Ausgaben der Periodical Amusements in monatlicher Folge. Jedes Heft war nummeriert und von Bortolazzi handsigniert. Es kostete vier Schilling für Abonnenten und fünf Schilling für Nichtabonnenten. In der zwölften Ausgabe bedankte sich Bortolazzi für den "größten Erfolg, den er im Laufe des Jahres gehabt hat" und versprach, "die gleiche Publikation im nächsten Jahr fortzusetzen".
Unter den 92 Abonnenten der Zeitschrift, die in der zwölften Ausgabe namentlich erwähnt wurden, befanden sich vier Mitglieder des britischen Königshauses: Friederike Charlotte von Preußen, Herzogin von York und Albany (1767-1820); Prinzessin Amelia von Großbritannien (1783-1810); Prinz Adolphus Frederick, Herzog von Cambridge (1774-1850); Prinz Augustus Frederick, Herzog von Sussex (1773-1843). Aber auch österreichische Adelige abonnierten Bortolazzis Gitarrenjournal: Fürst Nikolaus II. Esterházy de Galantha (1765-1833), Graf Ferdinand Pálffy von Erdőd (1774-1840) sowie die in London lebenden Aristokraten Fürst Ludwig von Starhemberg (1762-1833) und Graf Ferdinand Ernst von Waldstein (1762-1823).
Bei der Herausgabe der Periodical Amusements griff Bortolazzi auf den Fundus der österreichischen Ausgabe zurück und ergänzte ihn durch neue Stücke. Bei der Zusammenstellung der Werke blieb er seinem musikalischen Geschmack treu. Nur vereinzelt setzte er neue Akzente, etwa durch Werke mit englischem oder spanischem Lokalkolorit wie Five Scotch Airs (Nr. 9) oder Fandango (Nr. 13). Darüber hinaus veröffentlichte er zahlreiche neue Kompositionen:
Aus den Widmungen geht hervor, dass Bortolazzi in den besseren Kreisen des Bürgertums und des Adels Gitarren- und Gesangsunterricht erteilte und dort auch prominente Gönner wie Friederike von Preußen, Prinz Augustus Frederick und Graf Waldstein, hatte. Wie auf dem Titelblatt seiner XII Favorite Waltzes & Trios zu lesen ist, trat Bortolazzi mindestens einmal vor König Georg III. und der königlichen Familie auf. Es fällt auf, dass mehrere Stücke für Pianoforte und Gitarre oder nur für Klavier geschrieben wurden und dass die Walzer und Trios, die Bortolazzi in Anwesenheit der königlichen Familie spielte, für das Klavier transkribiert wurden. Offensichtlich gab es damals noch keinen großen Markt für Gitarrenmusik. Die Breitenwirkung von Bortolazzis Tätigkeit in London dürfte eher gering gewesen sein. Allerdings ließ Bortolazzi seine Gitarrenschule in englischer Sprache vom Londoner Verlag Monzani & Hill herausgeben. Die Veröffentlichung seiner Compleat Instructions for the Spanish Guitar um 1807 war ein wichtiger Impuls für die Popularisierung der Gitarre in der Londoner Gesellschaft. Nachdem Bortolazzi mit seiner Familie London verlassen hatte, wurden auch die Periodical Amusements einem weniger exklusiven Kreis zugänglich gemacht und von Monzani & Hill zum Stückpreis von 3/6 Schilling herausgegeben. Der Spanier Pablo Rosquellas bestätigt im Vorwort zu seiner 1813 in London erschienenen Gitarrenschule A Complete Tutor for the Spanish Guitar die wachsende Popularität der Gitarre, vor allem als Begleitinstrument zum Gesang: "Its excellences, which have hitherto, in this Country, been almost entirely unknown or overlooked, appear now to be rapidly rising into general admiration" (Rosquellas 1813, S. I).
Was mit Bortolazzi und seiner Familie nach 1810 geschah, war lange Zeit unklar. Es gab keine verlässlichen Quellen, die darüber Auskunft geben konnten. Die Historiker Claudio und Donato Fossati vermuteten, Bortolazzi sei von England nach Brasilien gereist und bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen: "[Bortolazzi] starb im Alter von vierzig Jahren bei einem Schiffbruch mit seiner Familie, um das Jahr 1812, als er den Ozean überquerte, um nach Amerika zu reisen" (Fossati 1894, S. 3 übers.). "Von seiner Reise- und Abenteuerlust gepackt, schiffte er sich nach Brasilien ein und kam wahrscheinlich bei einem Schiffsunglück ums Leben, da es keine weiteren Nachrichten gibt" (Fossati 2001, S. 170 übers.). Sie konnten ihre Behauptungen jedoch nicht belegen. Erst in den 2010er Jahren fanden sich Beweise dafür, dass die Bortolazzis tatsächlich nach Brasilien gesegelt waren, um dort ein neues Leben zu beginnen. Der Musikwissenschaftler Rogério Budasz hat das vorhandene Material zusammengetragen und ein detailliertes Bild der Familie und ihres Lebens in der neuen Wahlheimat gezeichnet.
Die Bortolazzis kamen im Oktober oder November 1809 in Brasilien an. Budasz vermutet, dass sie wie viele andere Europäer dem portugiesischen Hof folgten, der 1807 vor der Invasionsarmee Napoleons nach Brasilien, der größten und reichsten Kolonie Portugals, geflohen war. Unter den Emigranten befanden sich auch Musiker, Schauspieler und Sänger, vor allem aus Portugal und Italien, die Bortolazzi vermutlich auf der Suche nach einer Anstellung an einem Theater begleitete (vgl. Budasz 2015, S. 94). Möglicherweise weckten auch Alexander von Humboldts Ansichten der Natur (1808) die Abenteuer- und Reiselust des Toscolaners.
1813 lebten Bortolazzi und seine Frau in São Paulo. Am 7. Juni feierten sie dort die Hochzeit ihres ältesten Sohnes mit Anna Lincete aus Florenz. Zehn Monate später, am 9. April 1814, wurde ihr Enkel José getauft. 1814 oder 1815 verließ Bortolazzi die Stadt und ließ sich in Resende nieder, auf halbem Weg zwischen São Paulo und Rio de Janeiro. In dieser für ihren Kaffee berühmten Region erwarb er ein kleines Landgut und zwei Sklaven aus Mosambik. Seine Frau, seine Kinder und seine Schwiegertochter folgten ihm im September 1815, doch ihr gemeinsames Leben als Bauern währte nicht lange. Cattarina starb am 14. November (vgl. ebd. S. 95).
Als Bortolazzi Ende 1821 das Inventar seiner Frau einreichte, vermerkte er, dass Cattarina Margarita Leonardi vier Kinder hinterlassen hatte: den verheirateten Braz (= Biagio Domenico), die 16-jährige Thereza, die 14-jährige Carlota und den 12-jährigen Francisco Xavier. Der Heiratsurkunde von Carlota ist zu entnehmen, dass sie in der österreichischen Kirche in London getauft wurde (vgl. ebd. S. 96). Daraus lässt sich schließen, dass Bortolazzis jüngste Tochter 1807-8 in London geboren und vermutlich zu Ehren der Gönnerin Friederike Charlotte von Preußen auf den Namen Charlotte getauft wurde. Der jüngste Sohn Francisco Xavier wurde 1809-10 in Brasilien oder auf dem Weg dorthin geboren.
Nach Cattarinas Tod trennte sich die Familie. Biagio oder Braz trat der Theatertruppe von Maria Benedita Queirós Montenegro am Opernhaus von Porto Alegre bei, wo er als Schauspieler und Musiker arbeitete. Bartolomeo reiste zwischen 1821 und 1824 viel in der Provinz Rio de Janeiro umher. Unter anderem war er 1822 mit Braz und Thereza in Campos dos Goytacazes, nordöstlich von Rio. 1825 verkaufte er seine Farm in Resende und heiratete die Sängerin Candida Maria da Conceição im nahe gelegenen Dorf Santana do Piraí. Carlota blieb in Resende und Thereza in Campos dos Goytacazes. Beide heirateten in ihren jeweiligen Dörfern. Francisco Xavier begann zu studieren und schloss sein Studium 1827 am "Collegio de São Joaquim" ab.
In der Familie kam es zu Spannungen und schließlich zum Bruch. Am 14. August 1826 stellte Braz seinen Vater in einer Anzeige im Diário do Rio de Janeiro bloß und machte ihn als Geschäftspartner unglaubwürdig: "Braz Bartolazi, Victorino França und Severino Mendes da Costa, Sohn und Schwiegersöhne von Bartholomeo Bartolazi, geben der Öffentlichkeit bekannt, dass der Vater und Schwiegervater der Kläger weder Sklaven noch andere bewegliche oder unbewegliche Güter kaufen darf, da sie alle gepfändet und den Anteilen untergeordnet sind, die der Beklagte den Klägern als Erben ihrer Mutter und Schwiegermutter, D. Catharina Bartolazi, geben muss; die Kläger fechten ab sofort die Annullierung und Aufhebung aller Verträge an, die mit dem Beklagten vor Beendigung des Klageverfahrens abgeschlossen wurden" (DR 14.08.1826, S. 47 übers.). Im Oktober 1826 schickte Bortolazzi seine zweite Frau Candida Maria in das "Recolhimento da Santa Casa de Misericórdia", eine Einrichtung für Waisenmädchen und mittellose Frauen, und ging fortan eigene Wege (vgl. Budasz 2015, S. 98).
Von 1825 bis 1832 widmete sich Bortolazzi wieder der Konzerttätigkeit, gab Gitarren- und Gesangsunterricht und veröffentlichte neue Werke. In Rio arbeitete er als Schauspieler und Sänger am "Imperial Theatro São Pedro de Alcântara". Dort trat er zusammen mit seiner Frau bis 1826 auf (vgl. ebd. S. 97). Außerdem warb er in Zeitungsannoncen um Schüler für seinen Gesangs-, Gitarren- und Mandolinenunterricht. In der Zeitschrift O Spectador Brasileiro erschien am 10. Februar 1826 folgende Anzeige: "Bartholomeu Bartolazzi, Musiklehrer, wohnhaft in der Rua dos Invalidos Nr. 80, teilt dem ehrenwerten Publikum mit, dass er jedem, der Musik lernen, singen, Gitarre, französische Gitarre oder Mandoline spielen möchte, dies beibringen kann; dafür werden Sie die Güte haben, zu ihm nach Hause zu kommen, um mit ihm zu verhandeln" (SB 10.02.1826, S. 4 übers.; vgl. DR 24.05.1826 S. 57). Die Nachfrage war groß. Bortolazzi sollte bis zu seinem Lebensende Gitarren- und Gesangsunterricht geben. Außerdem begann er wieder zu komponieren.
Im Juli 1830 versuchte Bortolazzi, sein Zeitschriftenprojekt wiederzubeleben, indem er es im Jornal do Commercio ankündigte: "Bartholomeo Bortholazzi, Professor für Musik, macht das verehrte Publikum darauf aufmerksam, dass die Subskription für die Musiksammlung, die unter dem Titel Variedades de Muzica, ou Divertimento Periodico Mensal angekündigt wurde, in der Rua detraz do Hospicio Nr. 49 erfolgt, (und nicht 419, wie die Anzeige in der 'Patriota Brasileiro' vom Sonntag, dem 18. des laufenden Monats, irrtümlich behauptete" (JC 26.07.1830, S. 4 übers.). Wie aus dem Titel hervorgeht, sollte die Zeitschrift einmal im Monat erscheinen. Ob die Hefte tatsächlich gedruckt wurden, ist nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass Bortolazzi zahlreiche Einzelwerke komponierte, die er zwischen 1827 und 1832 in den Zeitungen Diário do Rio de Janeiro (DR), Diario Mercantil (DM) und Correío Mercantíl (CM) zum Verkauf anbot:
Bortolazzi passte sich dem lokalen Musikgeschmack an und komponierte vor allem Modinhas, sentimentale Lieder in portugiesischer Sprache, die in den bürgerlichen Salons sehr beliebt waren. Als Begleitinstrument für die Modinhas diente meist die "viola", die fünfchörige Gitarre. Bortolazzi schrieb sie jedoch für die "viola Franceza" und trug damit zur Förderung der sechssaitigen Gitarre in Brasilien bei. Außerdem komponierte er zwei patriotische Stücke, einen Walzer für Klavier und eine vierstimmige Hymne zum Gedenken an den 7. April 1831, als Kaiser Pedro I., der die Unterstützung des Volkes und des Militärs verloren hatte, zugunsten seines fünfjährigen Sohnes Pedro II. abdankte und nach Portugal zurückkehrte. Im ganzen Land wurde der 7. April als Tag der "Erneuerung Brasiliens" (regeneração do Brasil) gefeiert und Bortolazzis Walzer in der liberalen Zeitung O Republico gelobt (vgl. R 18.06.1831, S. 362).
In dieser Zeit entstanden auch drei Modinhas in Zusammenarbeit mit José Lino dos Santos Coutinho (1784-1836), dem ehemaligen Leibarzt und Berater des Kaisers, der nach dessen Abdankung das Amt des Staatssekretärs für die Angelegenheiten des Reiches übernahm und vom 16. Juli 1831 bis zum 3. Januar 1832 Präsident der Provinz Rio de Janeiro war. Coutinho schrieb die Texte, die Bortolazzi in seinen Modinhas vertonte. Er unterzeichnete auch das Dekret vom 31. Oktober, das "Bartholomeu Bartholazzi, natural de Veneza" zum brasilianischen Staatsbürger erklärte (Brazil 1831, S. 174).
Coutinho war jedoch nicht Bortolazzis einziger Kontakt zu den Machtzirkeln. Bortolazzi unterrichtete auch eine der Töchter von José Bonifácio de Andrada e Silva (1763-1838), der nach der Abdankung von Pedro I. zum Vormund des noch minderjährigen Nachfolgers Pedro II. ernannt worden war. Die Zeitung O Brasileiro beäugte die Anstellung Bortolazzis kritisch und warf Bonifácio vor, kaiserliche Gelder für private Zwecke zu verwenden: "Vor einigen Tagen sahen wir den berühmten Bartholasi in einer Kutsche des Hauses, und man sagte uns, dass er als Lehrer einer Tochter des Herrn José Bonifacio in den Genuss dieses Privilegs kam" (B 14.04.1832, S. 2 übers.). Der Musikunterricht der Tochter war nicht die einzige Verbindung zwischen Bortolazzi und Bonifacio. Beide waren Freimaurer. Bortolazzi war Mitglied der Loge "Perfeita Amizade" und Bonifácio Gründer und Großmeister der Loge "Grande Oriente do Brasil" (Budasz 2015, S. 111).
Bortolazzis Kontakte zu Coutinho und Bonifácio blieben Episoden: Lino Coutinho trat am 4. April 1832 als Staatssekretär zurück, schied am 30. Juli aus der Regierung aus und wurde am 3. Oktober erster Direktor des "Colégio Médico-Cirúrgico da Bahia". José Bonifácio geriet 1833 in eine politische Intrige, in deren Verlauf er beschuldigt wurde, an einer Verschwörung zur Wiedereinsetzung von Pedro I. als Monarch beteiligt gewesen zu sein. Kurz darauf wurde er freigesprochen, zog sich aber bis zu seinem Tod 1838 aus der Politik zurück.
Das Jahr 1832 markiert das Ende von Bortolazzis produktiver Zeit. Er war in die politische Intrige gegen Bonifácio verwickelt und zog sich nach dessen Verhaftung 1833 ins Privatleben zurück. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends. Als ihm ein Arzt 1842 nur noch 15 Tage zu leben gab, suchte er Hilfe bei Dr. Domingos de Azeredo Coutinho de Duque-Estrada, einem Pionier der Homöopathie in Brasilien. Bortolazzi schöpfte neue Hoffnung. Er bedachte den Homöopathen in seinem Testament und vermachte ihm wertvolle Möbel (vgl. ebd. S. 115f.). In der Zeitschrift O Pharol Constitucional gab er 1844 seine Genesung bekannt: "BARTHOLOMEO Bortolozzi, Lehrer und Musikkomponist, wohnhaft in der Rua do Conde Nr. 38, der sich von seiner schweren Krankheit vollständig erholt hat, teilt dem verehrten Publikum mit, dass er weiterhin in Privathäusern Gesangs-, Gitarren- usw. Unterricht gibt, so dass jeder, der seine Hilfe in Anspruch nehmen möchte, sich melden kann" (PC 16.08.1844, S. 4 übers.).
Ende 1845 oder Anfang 1846 starb Bortolazzi dann plötzlich auf dem Weg von Paraíba do Sul nach Rio de Janeiro (vgl. Budasz 2015, S. 80). Entsprechend groß war der Zorn der Schulmediziner auf Duque-Estrada. Sie klagten ihn im Jornal do Commercio öffentlich an: "Aber heute wissen Sie, wie es Ihr Kollege Logicus bereits getan hat, dass Herr Bartolazzi eine unheilbare Krankheit hatte, dass die Allopathen sich mit ihrer Prognose nicht geirrt haben, als sie ihn desillusionierten: Wer hat also besser geurteilt, wer war in dem fraglichen Fall uneigennütziger und aufrichtiger? Ich komme dazu. Herr Bartholazzi litt seit langem an seiner Krankheit, und nicht erst seit drei Jahren, sondern während dieser ganzen Zeit behandelte ihn die Allopathie, ohne auf die vier- oder sechstausend Escudos zu achten, die er zu zahlen hatte, oder auf den guten Geschmack der Möbel, die er besaß!!! Es ist also Herr Duque-Estrada selbst, der sich zur Zielscheibe einer unmoralischen Handlung gemacht hat, indem er [wertvolle Möbel] für das Heilen annahm und dies bis heute nicht geleugnet hat!" (JC 05.04.1846, S. 2 übers.).
Trotz schwerer Krankheit war Bartolomeo Bortolazzi ein langes Leben beschieden. Er wurde 73 Jahre alt. Mit seinem ersten Auftritt als Musiker begann die Blütezeit der Gitarre, mit seinem Weggang endete sie. Bortolazzi war ein Pionier der sechssaitigen Gitarre. Er machte das Instrument dem örtlichen Publikum bekannt, bevor Mauro Giuliani 1806 nach Wien, Fernando Sor 1815 nach London und Vicente Ayala 1841, Marziano Bruni 1846 sowie Fernando Martinez Hidalgo 1854 nach Rio de Janeiro kamen. Als ob er musikalische Gärten anlegen wollte, bereitete Bortolazzi vor Ort den Boden, auf dem die Gitarrenmusik gedeihen konnte. Er streute die Saat. Die Gestaltung der Gärten überließ er anderen.
1 Die von Philip J. Bone vertretene These, Bortolazzi habe sich von 1800 bis 1803 in London aufgehalten und dort das Gitarrenspiel erlernt (vgl. Bone 1914, S. 51), lässt sich anhand der Quellen nicht bestätigen.
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V: 04.12.2021
LA: 21.06.2024
Autor: Dirk Spönemann